Kurvendiskussion

Wie viele Funktionen gibt es? - Kurvendiskussion

Kurvendiskussionen machen vielen Schülerinnen und Schülern keinen Spaß! Sie wenden Regeln an, die sie nicht verstehen. Sie lernen Vokabeln, die sie nicht in Bilder oder normale Sprache übersetzen können. Und sie verstehen oft nicht, warum bestimmte Eigenschaften wichtig sind. Dabei ist die Kurvendiskussion - wie sie hier vorgestellt ist - ein schönes Beispiel für mathematische Begriffsbildung. Die Schülerinnen und Schüler können verstehen, wie Bilder, Sprache und Formeln zusammenpassen, wenn man ihnen genug Zeit für das Übersetzen lässt. Und die Eigenschaften der Funktionen werden dann nachvollziehbar, wenn die Schülerinnen und Schüler diese selbst (er)finden. Die Schülerinnen und Schüler beginnen daher mit einer anschaulichen Funktionsuntersuchung, erfinden eigene Fachbegriffe, tauschen sich mit anderen über deren Nutzen aus und einigen sich erst am Ende auf Vokabeln, die für alle eine Hilfe sind. Damit ist die Kurvendiskussion auf einer anschaulichen und sprachlichen Ebene möglich; die formale, rechnerische Kurvendiskussion erfolgt erst im Anschluss. Um die Kurvendiskussion zu motivieren, kann man der Unterrichtseinheit eine zentrale Frage voranstellen: „Wie viele Funktionen gibt es?“ Dadurch steht nicht mehr die Kurvendiskussion einer Funktion im Vordergrund, sondern das Klassifizieren vieler Funktionen nach bestimmten Eigenschaften.

Rahmenbedingungen

Fach:   Mathematik
Thema:   Kurvendiskussion - erst das Verständnis, dann die Formeln
Kompetenzen:  
- über Grundkompetenzen im Umgang mit Funktionen verfügen
- Funktionen auf lokale und globale Eigenschaften untersuchen
- Wirkunden von Parametern in Funktionstermen verstehen
- das Änderungsverhalten von Funktionen quantitativ beschreiben
Stufe:   10./11. Schuljahr
Zeitbedarf:   Insgesamt ein halbes Schuljahr, die hier ausführlicher beschriebenen Aufträge umfassten ca. 14 Stunden.

Ablauf - Neun Phasen

1. Phase

Der Begriff der Funktion ist den Schülerinnen und Schülern bereits aus früheren Schuljahren bekannt. Dennoch bietet es sich an, anhand einer Folie auf die Entwicklung des Funktionsbegriffs einzugehen. Dabei soll im Vordergrund stehen, dass sich der Funktionsbegriff über viele Jahrhunderte entwickelt und verändert hat.

Wenn das Dialogische Lernen in der Klasse noch unbekannt ist, kann mit folgendem Arbeitsblatt eine Anleitung und Einführung gegeben werden. Dabei ist wichtig, dass es sich um ein Experiment handelt, das die einzelne Schülerin bzw. den einzelnen Schüler herausfordern will, selbstständig über Mathematik nachzudenken.

2. Phase

Die Kurvendiskussion ist mit einer Unmenge an Fachbegriffen verbunden, deren Sinn meist erst im Rückblick verstanden wird. Daher ist die Kernidee der zweiten Phase ein Spiel, bei dem sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig Funktionen „diktieren“, also mit Worten beschreiben. Dabei erfinden sie selbstständig Vokabeln, die Eigenschaften und besondere Punkte von Schaubildern charakterisieren. Die mathematische Sprache entwickelt sich also beim Sprechen als Hilfe, Vereinfachung und Präzisierung. Das Spiel „Funktionen diktieren“ kann in der einfachen Version mit vorgegebenen Beispielen für Schaubilder gespielt werden. Bei genügend Zeit kann man auch die schwierigere Version wählen.

3. Phase

Während des Spiels Funktionen diktieren haben die Schülerinnen und Schüler Fachbegriffe benützt, manche sogar neu erfunden und viel über Funktionen gesprochen. Nun sollen Vokabeln und Eigenschaften gefunden bzw. erfunden werden, die für die anderen in der Klasse hilfreich sind.

Einige besonders schöne und interessante Antworten werden besprochen und als Arbeitsauftrag in die Klasse zurückgegeben.

4. Phase

Nach der ICH-Phase (2. Phase) und der DU-Phase (3. Phase) kommt nun die WIR-Phase. Aus den von den Schülerinnen und Schülern gefundenen bzw. erfundenen Begriffen sollen nun die herausgefiltert werden, die für alle hilfreich sind. Außerdem legt sich die Klasse auf gemeinsame (reguläre) Vokabeln fest.

Im Plenum werden die Antworten gesammelt (Tabelle mit Vokabeln und Skizzen). Dabei entstehen interessante Einblicke ins Denken der Schülerinnen und Schüler: Z.B. wird „Wendepunkt“ völlig anders verwendet als Mathematiker ihn definieren (Die Schüler sehen ihn als Hoch/Tiefpunkt, da dort die Kurve ein Auto „wendet“). „Hochpunkt“ wird als schlechtes Wort angesehen, da es ja andere, noch höhere Punkte gibt. Die mathematische Vokabel „lokales Maximum“ wird als hilfreicher angesehen und soll – nach Wunsch der Klasse – zukünftig verwendet werden.

Die Schülerinnen und Schüler sind nun in der Lage, eine Kurvendiskussion verbal anhand des Schaubilds durchzuführen. Der weitere Unterricht hat „nur“ noch das Ziel, dies auch rechnerisch anhand des Funktionsterms zu können. Daher werden nun systematisch einige Klassen von Funktionen untersucht.

5. Phase

Wir beginnen mit der einfachsten Klasse, die linearen Funktionen. Anschließend werden die Potenzfunktionen untersucht. Kernidee dabei ist: „Es gibt unendlich viele Potenzfunktionen – aber eigentlich gibt es nur 4 wirklich verschiedene Typen“ (Koeffizient positiv/negativ, Exponent gerade/ungerade).

6. Phase

Anhand der neuen Klasse der ganzrationalen Funktionen werden die Eigenschaften Symmetrie und Nullstellen mathematisch sauber definiert. Polynomdivision und Hornerschema als schnelles Werkzeug werden behandelt. Im nächsten Schritt wird untersucht, wie viele Nullstellen ganzrationale Funktionen haben und wie man die Vielfachheit der Nullstellen im Schaubild sieht.

7. Phase

Die erste Kernideen für diese Phase lautet: „Ganzrationale Funktionen verhalten sich weit draußen wie der Summand mit der höchsten Potenz.“ Die zweite Kernidee lautet: „Es gibt unendlich viele ganzrationale Funktionen – aber eigentlich kommt es nur auf das Verhalten weit draußen und die Nullstellen an“. Ist eine ganzrationale Funktion als Linearfaktorzerlegung gegeben, kann man sofort den groben Verlauf angeben. Viele Beispiele folgen, die den Weg vom Term zu Schaubild und umgekehrt verdeutlichen.

8. Phase

Der weitere Unterricht zu den Themen „Gebrochenrationale Funktionen“, „Ableitung“, sowie „trigonometrische Funktionen“ erfolgt ohne besondere dialogische Elemente. Am Ende dieser Phase steht ein Arbeitsauftrag, der als Standortbestimmung dient: „Was wissen wir schon? Was können wir noch nicht?“

9. Phase

Die formale Untersuchung von Funktionen auf „Monotonie“, „Minima und Maxima“ sowie „Wendestellen“ schließt die Unterrichtseinheit ab. Nun sind die Schülerinnen und Schüler in der Lage, nur anhand des Funktionsterms Aussagen über den Verlauf und die charakteristischen Eigenschaften des zugehörigen Schaubildes zu machen.